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Havva hat 30 Jahre Erfahrung als Tänzerin, Choreografin und Tanzlehrerin. Von 2008 bis 2013 versuchte sie, sich mit ATS und ITS anzufreunden, was ihr aber nicht gelungen ist. Trotz Ausbildung bei Gabriella (Nea´s Tribal) wollte sich der Spaß nicht einstellen.
„Stell schon mal die Security vor Dein Haus, wenn Du den Artikel veröffentlichst“, warnte eine Freundin. „90% der Tribaltänzerinnen werden Dich verfluchen“, mailte mir eine andere. Ja, ich weiß: Harmoniesüchtige Frauen und Meinungsverschiedenheiten, das geht gar nicht. Aber es ist ja nicht das erste Mal…
Als die ersten Tribalfotos Ende der 90er in den Orientzeitungen kursierten, hat mich das nicht die Bohne interessiert. Wieder irgendwas „Neues“ aus USA, was manche wohl meinten, sofort nachmachen zu müssen – wie üblich. Die Texte dazu hab ich erst recht nicht gelesen. Amerikanische Selbstbedienungs-Fake-lore statt Folklore, typisch! Weit weg vom echten Orient machen sie sich ihre Fantasien halt selber. Wen juckt´s ?!
Tribal für Alte und Dicke?
„Das hat wirklich auch Vorteile“ versuchte mich eine OT Lehrerin aus Fulda im Jahr 2000 zu überzeugen. „Mit dem Tribalkostüm sehen auch ältere oder dicke Frauen gut aus, die in einem Bauchtanzkostüm nur lächerlich wirken würden. Und die schlechteren Tänzerinnen sieht man nicht sofort raus, wenn alle gleich aussehen“. Hmh ? ! ? Ist das ein Vorteil?
Die Zeit ging ins Land, ich zog nach Ulm, eröffnete mein Studio 2004 und tribaln war nach wie vor keine Option für mich. 2007 gab es dann in einer Lehrerinnen-Ausbildungsgruppe zwei Tribaldamen, die - wie die anderen Teilnehmerinnen auch - bei der Kulturnacht auftraten. Und weil mir noch ein paar Stücke für die nächste Show fehlten, bat ich sie um einen Auftritt beim Orient-Xpress. Danach begann die Nachfrage. „Machst Du das mit uns auch mal?“ fragten die Schülerinnen. “Ich und Tribal? Göttin bewahre!“. Sie blieben hartnäckig: „Schließlich kannst Du das gar nicht beurteilen, wenn Du es nicht ausprobiert hast! Es macht sooo Spaß“, meinten die, die es schon versucht hatten. (Inzwischen kann ich es beurteilen!)
Egyptian Basic aus Ägypten?
Nun, als Studiobetreiberin ist man nicht nur Tänzerin, sondern auch Geschäftsfrau und muss – bis zu einem gewissen Grad – die Wünsche seiner Kundinnen berücksichtigen. Widerwillig besorgte ich mir ein paar DVDs (zum Glück bekam ich sie geliehen, und musste wenigstens kein Geld dafür ausgeben!). Erst spulte ich immer weiter vorwärts, weil ich immer dachte: Wann fängt es denn jetzt an? Doch das, was ich als Vorübungen ansah, das war es auch schon. Oh je! Also fast nur Anfängerbewegungen wie großer Hüftkreis (nur vordere Hälfte), Hüftschwung mit Vierteldrehungen (alles schön gemächlich) oder meine „Lieblings“-Bewegung: Hüftschwungtwist rechts und links im Wechsel, die Arme sind oben und ziehen in die entgegengesetzte Richtung: der sogenannte „Egyptian Basic“. Hat jemals eine Ägypterin diese Bewegung getanzt? Ich würde schwören, dass das nicht der Fall ist. Und das „Beste“ daran: die eingedrehten Füße. GRUSEL! Ich nahm ein paar Blatt Papier und klebte sie unten an den Fernseher, damit ich diese grässlichen eingedrehten Füße nicht sehen musste……
Nie mehr Unterrichtsvorbereitung
„Na gut, das Thema ist so simpel und uninteressant, das ist dann wenigstens schnell durch, weil es bald langweilig wird“, dachte ich und schrieb mir einige Bewegungen raus, die ich anschließend unterrichtete. Mit vier dieser Kombis wollte ich jetzt im Mittelstufekurs das „Improvisieren“ beginnen. Um es kurz zu machen: es ging - gar nichts! Die Bewegung merken, bis 8 zählen, den Platz halten oder den Platz wechseln. Die Schülerinnen waren völlig überfordert und mir gingen die nicht enden wollenden Wiederholungen ziemlich schnell auf den Geist! Ein paar Abende hielt ich meine Versuche durch, dann beschloss ich, doch wieder zum Choreographieren zurück zu kehren. Ich choreographierte also ein Stück mit Tribal-bewegungen, das dann ein bisschen so aussah, als ob. Alle waren zufrieden. Und mir blieb fürs erste das stupide Üben von immer denselben Abläufen erspart.
Bald erkannte ich jedoch diesen – wie ich finde: einzigen - Vorteil beim Tribal. Wer derart anspruchslos ist und wem Monotonie nichts ausmacht, der spart sich jegliche Unterrichts-vorbereitung, braucht nicht viel Musik und kann seinen Unterricht aus dem Steigreif halten.
Meine Kurse splitteten sich nach dem ersten Versuchs-Jahr in Tribal-Fans und Tribal-Gegnerinnen, jede Gruppe mit einer Androhung: Entweder kein Tribal mehr oder ich gehe! oder andersrum: Wir wollen jetzt nur noch Tribal! Ein Kurs hat sich dadurch aufgelöst, weil niemand zu einem Kompromiss bereit war.
Nur noch Tribal war für mich selbstredend keine Option. Kurse müssen schließlich auch der Lehrerin Spaß machen!
Instant-Gehopse?
Stupides Durchexerzieren der immer gleichen 20 Bewegungen, wenn das Ganze als „Gruppen-Improvisation“ halbwegs funktionieren soll, ist nicht mein Ding. Denn es bedeutet: es bleibt für nichts anderes mehr Zeit! Wehe, es sind Ferien. Danach muss man wieder von vorne anfangen. Pausen, Fehlzeiten, das geht gar nicht! Langweilig, tumb, eintönig und vor allem REDUZIEREND. Die Tänzerin wird in ihren vielfältigen Bewegungs- und Ausdrucks-möglichkeiten komplett reduziert auf 20 Bewegungen, wenn sie viel übt, vielleicht 50. Denn auch FCBD hat erkannt, dass 20 Bewegungen nicht ausreichend sind für den tänzerischen Ausdruck des Menschen und deshalb generieren sie ständig weitere Bewegungskombis mit noch komplizierteren Regeln und Cues. Was wiederum weitere Übungszeit erfordert. Trotzdem wird kein echter Tanz daraus und es bleibt, was es von Anfang an war und ist: ein Retortentanz, Instant-Gehopse made in USA. Wie 1-Minute Nudelterrine, da ist auch keine echte Nudel drin. Und so ist beim ITS ebenfalls nichts Echtes drin, nichts Gewachsenes, bar jeglicher persönlicher Ausdrucksmöglichkeit. Ob Esslöffel oder Teelöffel, es kommt immer dieselbe Brühe dabei raus.
Ausdruck? – nicht in Sicht
Wahrscheinlich ist das sogar einer der Beliebtheits-Punkte: Tribal kommt europäisch-amerikanischer Ausdrucksarmut entgegen. Zwar hieß es in fast sämtlichen Interviews der letzten 30 Jahre: „Ich mache Bauchtanz, weil ich damit meine Gefühle ausdrücken kann“. Bloß getan haben es nur wenige, weil die meisten gar nicht wussten, wie das geht….Gefühle auf der Bühne ausdrücken…… Davor, vor diesem „Wollen, aber nicht Können“, schützt nun das Tribaln. Da braucht man das nicht, da muss man das nicht, und da geht das zeitlich auch gar nicht. Wenn es zum Lächeln reicht, ist frau schon Profi, denn ansonsten ist frau damit beschäftigt, auf alle möglichen „Cues“ (Zeichen) der Führungsfrau für den nächsten Wechsel zu achten. Ein Blickkontakt zum Publikum ist nicht vorgesehen und findet nicht statt. Die Zuschauer dürfen also einer Gruppe Frauen beim Tanzen zugucken, ohne dass sie das Gefühl bekämen: „die tanzen jetzt für mich!“. Nein, tun sie auch nicht! Die tanzen nur für SICH! Aber eben leider nicht zu Hause oder im Studio, sondern sie wollen bitteschön beim Für-sich-selber-Tanzen ein Publikum haben. „Sind wir nicht toll und einzigartig? Bewundert uns!“ Und das Beste: Da kann man mit zusammengekniffenem Mund und verzerrtem Blick hinterher tanzen, wenn es die Konzentration erfordert, bei so vielen, die alle gleich aussehen, fällt das ja nicht auf, gell?!
Wenn man weiß, wie Tribal entstanden ist, ist das „für sich selber tanzen“ ja auch völlig okay: nämlich als Feierabendbeschäftigung und Spaß unter den Zirkusakteuren nach der Arbeit, d.h. also nach der Publikumsvorstellung. Das taten sie nämlich nur für sich, nicht für Publikum! Jamila Salimpour war um 1942 Mitglied des Zirkus´ der „Ringling Brothers“. In dieser Zeit arbeitete sie mit algerischen Wasserglas-Balancierern, tunesischen Krugtänzern, Tablett- Tänzern und Magiern. Säbeltanz, Maskentanz, Schlangentanz waren Tänze, die man erstmals in ihrer Gruppe Bal Anat zu sehen bekam. Und auch Stammestänze aus Nordafrika und den östlichen Mittelmeerländern waren zu sehen. So wurde Kultur und Fantasy so vermischt, dass es für Amerikaner interessant, spannend und originell aussah und von vielen amerikanischen Bauchtänzerinnen unhinterfragt übernommen wurde.
Eigentlich ist Tribal nichts für Publikum
So gesehen ist es völlig in Ordnung, wenn Frauen diesen Tanz unter sich betreiben und dabei miteinander eine Menge Spaß haben. In die Öffentlichkeit / auf eine Bühne gehört er meiner Meinung als improvisierte Form aber nicht, schon gar nicht von Anfängern bis Mittelstufe. Das ist nämlich nur für die Tänzerinnen spannend (die ständig nach dem nächsten Cue Ausschau halten müssen), für die Zuschauer hält sich die Faszination ziemlich in Grenzen. Wenn ich – was schon vorgekommen ist – guten Tribal gesehen habe (z.B. von FCBD), war er a) choreographiert und b) von professionellen Tänzerinnen getanzt.
Sind die Bewegungen an sich auch nicht schwer, so ist es doch eine irre Hektik und Anspannung beim Tanzen, damit man da keinen Einsatz verpasst. Ein In-sich-gekehrtes-Tanzen oder ein Flirt mit dem Publikum, ein auf-die-Feinheiten-der-Musik-Achten und Interpretieren, ein Genießen eines Taqsims (womöglich mit geschlossenen Augen), die Freude über einen gelungenen Akzent, Dynamik-, Tempo- oder Spannungsänderung, kunstvolle weiche Übergänge von einer Bewegung zur nächsten, spontanes Händeklatschen oder irgendeine andere Spontaneität, alles was einen lebendigen orientalischen Tanz ausmacht: so was geht da nicht!
Militärischer Drill
Da ist militärischer Drill angesagt. In der Tat sind ja etliche Figuren dem Line Dance „entlehnt“, andere ähneln direkt schottischen Militärchoreographien. Ein Schweizer Zuschauer bemerkte einmal treffend: „Das ist ja wie bei den eidgenössischen Turrnerfesten. Da gibt es auch imrr einen Vorturrner“. Was die Führungsfrau macht, müssen alle nachmachen: das ist dann der vielzitierte „irre Spaß“ beim Tanzen in der Gruppe…..Ich merkte schon in der Ausbildung ansteigende schlechte Laune mit dieser Art von „machen müssen, was sich irgendjemand ausgedacht und zur Regel erhoben hat“. Da ist meine masochistische Ader per definitionem nicht ausgeprägt genug!
Neu ist nicht besser, nur weil es neu ist
Es muss auch besser SEIN!
Das ist ja sowieso etwas, wo ich die Krätze kriege: Jemand erfindet was, sagen wir, er setzt zwei Bewegungen zusammen, die traditionell so nicht zusammen gehören und sagt dann: das MUSS jetzt so gemacht werden und das GEHÖRT so, DAS ist falsch und SO ist es richtig, und die Bewegung heißt jetzt XY Bump und die Ellbogen müssen bei den Ohren sein usw. HALLO???!
Falsche und richtige Fantasy?
Bei einem Fantasytanz gibt es kein falsch und richtig wie bei einer gewachsenen Tradition! Das sind Erfindungen, wie sie jeder Choreograf täglich macht. Bloß behauptet der nicht, dass diese Bewegung jetzt einen Namen hat und Gesetz ist. Und ich muss schon fragen, wie viele „…(hüstl) .“. machen einfach brav nach, was irgendjemand so behauptet? Ist das menschlich die Regel und bin ich die einzige Ausnahme oder ist das speziell deutsch? Sind das etwa dieselben, die als Kinder nur „Malen nach Zahlen“ durften und deren Lust an Kreativität und Vielfalt schon im Keim erstickt wurde?
Für diese ist es offenbar die Erlösung: endlich Regeln! Endlich weiß frau, DAS ist RICHTIG und JENES ist FALSCH. Endlich keine Unsicherheit mehr: hab ich das jetzt gut und schön getanzt? Jiipiiieh, das muss jetzt nicht mehr gut oder schön sein, (wer kann da schon sicher sein?) nein, denn es reicht wenn es RICHTIG ist!
Tribal, die Zickenfreie Zone?
Eine Frau sagte mir mal: „Das ist einfach so toll, wenn Frauen mit Frauen in der Gruppe tribaln. Da ist kein Gezicke und da ist alles viel besser als in der „Schöner, schneller, weiter“- Bauchtanz-Szene“. Ich meinte, „wenn ich mit anderen Frauen zickenfrei tanzen will, brauch ich nicht tribaln, da kann ich jeden anderen Tanz auch machen, wenn keine Zicken dabei sind“.
In der Tat liegt es ja nicht am Tanz, ob gezickt wird, sondern eher am „Alle dürfen mitmachen-Charakter“ bei den meisten Gruppen. Denn wenn Profitänzerinnen mit 25 Jahren Erfahrung mit Anfängern oder Talentfreien zusammen tanzen (müssen), gibt es früher oder später Reibungen. Meist nicht von den Profis oder den schwächeren Tänzerinnen, die sich selbst richtig einschätzen könnten, sondern eher von den Möchte-gern-Stars mit getrübter Selbstwahrnehmung. Denn viele ATS /ITS- Anhängerinnen – vor allem eben Anfängerinnen nehmen am liebsten gleich die Abkürzung. Tanztechnik? Haltung, Spannung, Kraft ? Ausbildung? Nein, Danke. Lieber gleich her mit den Auftritten! Das dient jetzt zwar weniger der Qualitätssteigerung der Darbietung, dafür aber dem narzisstisch bedürftigen Ego.
(Meine Güte, nun sei doch mal nicht so kleinlich, Havva! Es ist doch nicht jeder so perfektionistisch wie Du. Und es sieht ja keiner…. das merkt doch niemand….!!!)
Beim echten orientalischen Tanz, wo es neben „Musik und Choreo Auswendig-Können“ auch einen „Stil“ gibt für die meisten Tänze, ob Folklore oder Raqs Sharqi, würden sie gar nicht erst so weit kommen, überhaupt an einen Auftritt zu denken….Früher hätte man hinter vorgehaltener Hand getuschelt: „die wäre beim Aquarellmalen auch besser aufgehoben“, heute heißt es mitnichten boshaft:„die soll doch zum Tribaln gehen, wenn sie nicht tanzen kann“. Selbst eine liebe Freundin und bekennende Tribalanhängerin gestand, dass es nirgendwo so viele schlechte Tänzerinnen wie in der Tribalszene gäbe. Die Talentfreiheit wird jedoch häufig mehr als wettgemacht durch umso größeres Selbstbewusstsein, worüber manche Profitänzerin nur staunen kann. Das ist das Ergebnis der Gruppendynamik, denn da kann frau sich endlich stark fühlen! Beim Tribal gibt es nämlich Wertschätzung unter Frauen ohne Leistungsdruck und genau DAS ist es, was viele Frauen wollen: man muss nichts können, nur nett und lieb sein!
Ohne Fleiß kein Tribal
Was man in (echten!) orientalischen Tanzstilen können muss oder haben sollte (zum Beispiel Tanztalent!), wird beim Tribal durch Fleiß ersetzt. So wie man eine schlechte Deutschnote, weil man keine anständigen Aufsätze zustande brachte, durch eifriges Lernen in den typischen Lernfächern wie Bio, Geschichte oder Erdkunde ausgleichen konnte, so können A-Rhythmische oder grobmotorisch Eingeschränkte hier durch pures Auswendigüben von immer denselben Abläufen und immer denselben Bewegungen, äh, Verzeihung, wir sind ja cool: hier heißt das „moves“ (!), auch was zustande bringen. Es sei ihnen von Herzen vergönnt! Aber mit Tanzen (-Können) hat das wenig zu tun.
Wer sich als talentierte Tänzerin für Tribal entscheidet, hat den Endpunkt seiner tänzerischen Entwicklung schon festgelegt. Und die, die schon mal tanzen konnten, entwickeln sich zwangsläufig rückwärts, wenn sie sich künftig auf Tribal beschränken.
Was bei der ganzen monotonen Überei und den einschläfernden Wiederholungen herauskommt, stellt sich spätestens bei der Planung der nächsten Show heraus. Meine Shows hatten immer zwischen 19 und 23 Programmpunkte. Kann man abhaken mit Tribal. Es gibt nämlich nur noch einen Tanz mit einem Kostüm. Ganz Tüchtige haben noch ein zweites Kostüm - allerdings keinen zweiten Tanz!. D.h. üben, üben, üben – und am Ende hat man nur einen Tanz! In dieser immensen Übungszeit hätte man locker 20 tolle Choreografien gelernt, die das Publikum wirklich unterhalten. So aber kann frau das Publikum nicht durch Abwechslung unterhalten, sondern muss das Publikum (ab)wechseln!!!
Weißwein oder Rotwein
Die Musik ist beim Tribal ja relativ, ob indisch, marokkanisch oder sonst ein Land, spielt keine Rolle und hat keinen Einfluss auf die Bewegungen – meistens ist es logischerweise eh amerikanisch….
Da es bei FCBD nur langsame oder schnelle Bewegungen gibt (ja, so simpel ist das!), fällt mittelschnelle Musik dann gleich weg. Die Amis sind irgendwie schon glatt: In Kalifornien waren wir beim Essen, und ich wollte einen Wein bestellen: da stand „Weißwein“, „Rotwein“ und „Roséwein“. Keine Namen, keine Traubensorte, trocken, mild oder so. Das braucht man dort nicht, denn mehr Angaben würde die Leute ja schon überfordern. Einheitsgeschmack. Tja, das Leben kann so einfach sein. Nur wir Europäer machen es kompliziert. Den „Rosé“ gibt es dann wenigstens bei Nea´s Tribal, dort wollte man denn doch eine mittlere Geschwindigkeit auch tanzen können.
Und was ist daran orientalisch?
Orientalische Rhythmen und Musikgefühl sind ebenfalls Nebensache, Hauptsache frau ist rhythmisch so gefestigt, dass sie bis 4 zählen kann, manche schaffen es bis 8 (was für einige schon eine Überforderung darstellt), aber 2 x 4 ist leichter. Sich viele Jahre mit orientalischer Musik, ihren Rhythmen und ihrer Verwendung zu beschäftigen kann man sich sparen, weil unnötig. Fast-Food-Tanzen für Jede-Frau! Bühne frei für Holper-die-Stolper, steife Einheitsärmchen und pseudo-spanische Spasti-Pfötchen, für XY Bump auf Akkordeontaqsim und Egyptian Basic auf Flöte. Tribal hat mit Orientalischem Tanz nicht das Geringste zu tun! Er ist die „Bild“-Zeitung unter den Tanzstilen: plakativ, aber reduktiv, mit verfälschten Inhalten und höchstens halben Wahrheiten. Weder „echt“ wie klassischer OT oder Folklore noch „kreativ“ wie echte Fusionen: ein künstliches Konstrukt für Amis und Europäer ohne Interesse an Tradition, Kultur und Geschichte. Oder wie sagte meine tribalnde Freundin: in seiner verbreitetsten Version ist er „Hausfrauengymnastik mit viel am Kostüm“! Ringelreihen für erwachsene Frauen, die im Kindergarten zu kurz gekommen sind.
Hoppelbump links rum, Hoppelbump rechts rum, Hoppelbump im Kreis, Egyptian Basic, Wald-und Wiesenschritt….gähn, auweia, Cue verpasst……Hoppelbump links rum……
Die Turbane hatten was
Das Kostüm fand ich vom ersten Ansehen her ganz interessant. Die Turbane hatten was, auch leuchtende Farben auf schwarzem Untergrund (Rock) wirkten beeindruckend. Natürlich wusste ich, dass die Woll-Bommeln im Orient zum Pferde- und Kamelschmücken gedacht waren und Orientalen nur mitleidig lächelnd den Kopf schüttelten über die in ihren Augen peinliche Kluft von Frauen. Jedoch, nach dem zweiten Mittelaltermarkt bei 35° Grad (gefühlt 45°!) im Schatten fand ich diesen Klamottenzinnober nur noch dekorativ, aber alles andere als funktionell. Letztlich passen die Einschränkungen des Kostüms jedoch zur Beschränktheit des Tanzes. Ein entspanntes Wochenende ist anders. Aber es ist auch kein aktives Tanzwochenende, denn für wirkliches Tanzen ist das Kostüm ja nicht geschaffen. Dieses bombastisch-überladene Kostüm dient vor allem dem Eindruck-machen und um die Tanzdefizite zu überdecken, deswegen sind ja die Anfänger auch so wild drauf, gell?!
Respekt vor anderen Kulturen?
Das Tribalkostüm ist ein cleverer Schachzug bei der Kulturverblödung durch Tribal, die Geschichte dahinter so simpel wie typisch: die USA waren einfach zu weit weg vom Orient zu Zeiten, als es noch kein Internet, kein Youtube und kein Facebook gab. Die Tänzerin Sakti war eine der ersten, die echte ägyptische Kostüme nach USA brachte, was damals noch Monate Lieferzeit dauerte. Bis dahin nähte die echte amerikanische Pionierin ihre Kostüme selbst, es gab massenweise Nähanleitungen und Nähvideos zu kaufen. Schließlich hatte man ja alles bisher selbst gemacht: wozu brauchte man also den echten Orient? Paaah, den machte man sich einfach auch selbst in gewohnter amerikanischer Selbstbedienungsmanier. Pippi Langstrumpf sang das schon vorher: „Ich mach' mir die Welt Widdewidde wie sie mir gefällt ....“
Auch wenn der Bauchtanz aus USA zu uns nach Europa kam: die tanztechnische Qualität war in Europa in kürzester Zeit wesentlich höher als dort (und ist es heute noch!). Viele amerikanische Tänzerinnen haben erst durch Tribal ihren Durchbruch geschafft, denn nur im Tribal konnte sich die Mittelmäßigkeit noch an die Spitze tanzen. In der „Tribal-Bibel“ steht auch immer wieder ein Gefasel vom „großen Respekt“ den man vor den Kulturen der Länder hat, aus denen man sich bedient: den suche ich allerdings vergebens. Kann es sein, dass ich „Respekt vor anderen Kulturen“ anders definiere?
Fakelore statt Folklore
Einen gefährlichen Nachteil hat das Kostüm außerdem noch: Unbedarftes und uninformiertes Publikum (oder vielleicht sogar Tänzerinnen?) halten Tribal tatsächlich für echte orientalische Folklore …In der Tat erzählte mir eine andere tribalnde Tanzfreundin, dass sie immer fasziniert war von echter Folklore, das Erdige und Schwere habe sie angezogen. Nur, in ihrer Gegend gab es kein Studio, wo sie das hätte lernen können. Als sie dann ATS sah, nahm sie dies als Ersatz für die Folklore, zumal „ja eh alles erfunden war und ich somit nichts falsch machen konnte“. Eine Workshop-Schülerin erzählte mir, dass sie zuerst fasziniert war von den Kostümen, die sie für wirkliche orientalische Folklore hielt. Als sie dann erfuhr, dass es „eine amerikanische Erfindung aus den 70ern“ war und mit dem Orient nichts zu tun hatte, war sie entsetzt und fühlte sich verarscht.
Improvisieren lernen
Meine andere besagte liebe tribalnde Freundin meinte, sie hätte mit Tribaln angefangen, weil sie improvisieren lernen wollte. Aber das kann sie jetzt immer noch nicht. Denn Improvisieren lernt man nur durch (echtes) Improvisieren, mit den Impulsen, die von innen kommen. Mit der angeblichen Tribal-„Improvisation“ landet man in einer Sackgasse: Improvisiert tanzen kann man danach auch nicht, nur auswendig gelernte (vorgekaute) Tribalbewegungen nachtanzen…… Mit einem Wort: „ungeheuer kreativ!“ Es macht bei der Tribal-Pseudo-„Improvisation“ so viel (Geschmacks-) Unterschied wie etwa beim Kuchen backen: ob ich zuerst die Eier und dann Mehl und Butter in den Mixer werfe oder erst die Butter, dann die Eier, schmeckt niemand.
Und ob ich erst den XY Bump und danach den Egyptian Basic mache oder umgekehrt, spielt für das Endergebnis ebenfalls keine Rolle: es wird ja nicht die Musik interpretiert und daher kommt eh immer das gleiche dabei raus, mal schneller, mal langsamer, mal schlechter, mal besser. Niemals aber spannender! Denn was eigenes Neues , ein Stück Persönlichkeit der Tänzerin kann ja nicht dazu kommen! Wenn ich Backförmchen benutze, kann eben nur diese Form rauskommen, nichts anderes.
Geschmacksignoranten?
Dieses Wort wurde mir vorgehalten, weil es angeblich so böse und abwertend ist. Aber wie nenne ich es? Hier Tische voll mit dem besten orientalischen Büffet, das man sich denken kann: syrisches Gebäck, libanesische Vorspeisen, marokkanische Hauptgerichte, persische Getränke, ägyptische Salate, indische Süßigkeiten. Und dort: amerikanisches Fast Food mit vorgekauten (!) Hamburgern, Currywurst und Pommes. Und worauf stürzen sich Tribalfans, wenn ich das orientalische Büffet als Synonym der ganzen Palette orientalischer Tänze und Folklore betrachte? Wie kann es orientalisch sein, wenn ich die amerikanische Currywurst der orientalischen Büffettafel vorziehe?
Doch lieber Choreos?
Für Otto-Normal-Zuschauer ist Tribal spätestens nach dem 3. Mal todlangweilig, weil es nicht fesselt und in den Bann ziehen kann wie eine wirklich gute Performance!
Wenn ich früher, als meine Kinder noch klein waren, beim Bügeln Videos geguckt habe, war ganz klar, welcher Tanz oder welche Tänzerin gut war: Wenn ich gebannt das Bügeleisen auf dem Hemd stehen ließ und fasziniert war vom Tanz, bis es zu spät war und eine verschmorte Stelle im Stoff war, dann war es ein guter Tanz! Das würde mir beim Tribalgucken nicht passieren, da mach ich nebenher andere Sachen und immer wenn ich wieder in die Glotze gucke, läuft immer noch das Gleiche, aber nicht etwa, weil die DVD hängt…..
Und wenn ich mal einen guten Tribal-Tanz gesehen habe (z.B. von FCBD), dann war er >>> choreographiert, von Profitänzerinnen getanzt und der Focus aufs Publikum gerichtet! Eigentlich logisch! Schlicht und ergreifend, weil eine spannende Gruppendarbietung nicht improvisiert werden kann, sondern einen Aufbau und eine Struktur, Ausdruck, Kontakt mit dem Publikum und professionelle Tänzerinnen benötigt.
Fazit:
Ich konnte in fünf Jahren nicht das Rätsel lösen, warum etwas, was woanders Sklavenarbeit ist - nämlich eingeschränkte Bewegungen tausendfach zu wiederholen wie Fließbandarbeit - irgendjemanden Spaß machen kann, vor allem nicht eigentlich talentierten Tänzerinnen, die einen Anspruch an sich haben (sollten)! Ich für meinen Teil brauche Abwechslung und Herausforderungen, neue interessante und spannende Aufgaben und möchte in eine Kultur tiefer eindringen, neue Choreografien entwerfen und lernen und mich dabei der unendlichen Ausdrucksmöglichkeiten einer orientalischen Tänzerin bedienen können.
Ich kann nur mutmaßen: für die Einen ist es sicher die einzige Möglichkeit, auch mal aufzutreten und ihren Narzissmus auszuleben, die Regeln sind beruhigend und wer sie beherrscht, ist sicher mächtig stolz darauf ohne darüber nachzudenken, wie sinnvoll die ganze Angelegenheit ist. Für die Anderen ist es vielleicht „besser Tribal tanzen als gar nicht fotografiert werden“? Für etliche geht es ganz sicher nicht um Tanz, sondern darum, mit anderen Frauen in der Harmoniebadewanne zu planschen….aber ich spekuliere nur, ich weiß es nicht. Tribalfotos gibt es inzwischen sicher Millionen, und die sehen alle ziemlich gleich aus……..brauch ich das?
Das Beste an meinem Tribal-Experiment war, dass mir selbst richtig klar geworden ist, mit was ich in Zukunft sicher NICHT meine wertvolle Lebenszeit verplempern werde: Limitierte Bewegungen, sorry „moves“, in Endlosschleife zu wiederholen? Nein, danke!
Sollte ich mal an Alzheimer erkranken, kann ich es ja nochmal versuchen…...
Tribal darf sein, natürlich, wie Line-Dance, Kreistanz, Zumba etc., aber er hat für mich tanztechnisch einen geringen und künstlerisch sowie kulturell gar keinen Wert. Und ich hoffe sehr, dass es in Zukunft wieder mehr Tribal-Allergiker-freundliche ORIENTALISCHE Shows gibt.
Eine meiner tribalnden Freundinnen bat mich, doch wenigstens noch irgendwas Positives zu schreiben; Es war dieselbe, die glaubt, dass mich 90% der Tribaletten verfluchen werden. Was den Tanz betrifft, so hab ich echt ein Problem mit den positiven Aspekten, aber was die Frauen betrifft, so kann ich sagen, dass mir mindestens 90%, von denen die ich kennen gelernt habe, sehr sympathisch waren – das eine schließt das andere ja nicht aus - und: jede hat das Recht, sich mal zu irren.
So far,
©Havva2013