Burlesque und die Meinungsfreiheit in der OT Szene

Trendkommentar 1 / 2013

Schon wieder ein Tanzstil, der in der Orientalischen Tanzszene Asyl sucht.....Wie kommt es nur, dass sich ausgerechnet zu uns so viele "Ausländer" verirren? Hatten wir doch erst Tribalfusion mitsamt Sippschaft und angeheirateten Verwandten vor der Tür stehen und großzügig die orientalischen Studiotüren und Bühnen dafür geöffnet.

In meinem April-Newsletter habe ich ein bißchen gesenft, d.h. meine Meinung über sogenannten (oder selbst ernannten) Burlesquetanz auf orientalischen Shows in einigen kurzen Sätzchen zum Besten gegeben. Das Feedback war enorm. Nur eine war dabei, die selber Burlesque tanzt, alle anderen gehörten zu jenen, die diesen Tanzstil auf orientalischen Shows deplaziert finden.

Um den chronisch Paranoia-Gefährdeten gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Burlesque darf sein, hat seine Berechtigung wie jede andere Tanzart, wie Jazzdance, Linedance, Zumba, Squaredance, Hiphop usw. Es geht hier lediglich um die Frage: Wo gehört er hin? Und da gibts für mich nur eine Antwort: ins Varieté, nicht auf eine orientalische Tanzshow. Schon gar nicht, wenn sich die Darstellerin teilweise ihrer Wäsche entledigt.

Interessanterweise gibt es scheinbar mehr Frauen, die das Bedürfnis haben, sich so zu präsentieren, als solche, die das sehen möchten. Und auch Männer hab ich noch keine getroffen, die auf einer Orientalischen Tanzshow einen solcherart "aufgepeppten" Bauchtanz sehen wollen.

"Damit kann man das Puplikum aufwecken" war ein Argument......Wie bitte? Wen das Publikum einschläft, dann liegt das wohl eher an der (mangelnden) Qualität des restlichen Programms oder an den (leider nicht auszurottenden) 4-Std-Endlos-Vorstellungen.....MEIN Publikum jedenfalls ist bisher noch nicht eingeschlafen, weil unsere orientalischen Tänze zu schlecht oder langweilig waren. "Du bist doch bloß verklemmt!" musste sich eine meiner Feedback-Schreiberinnen anhören. Es erinnert schon etwas an die Aufdringlichkeit der Pornoindustrie in den 1970ern, wo mit "Was ist denn schon dabei?" und "aber das macht doch Spaß, Du musst es ausprobieren" Frauen genötigt wurden, gegen ihr Bauchgefühl in irgendwelche unerwünschte Sexpraktiken einzuwilligen.

 

Tja, eigentlichen wollte ich einen Kommentar über Burlesque schreiben, aber eigentlich finde ich ein anderes Thema viel wichtiger: Nämlich die Meinungsfreiheit in der orientalischen Tanzszene. Mit der war zwar noch nie viel Staat zu machen, aber in Zeiten von "Gefällt mir"-Buttons ist es noch schlimmer geworden. Man sollte meinen, wenn alles bewertet wird - die Ware, der Verkäufer, der Service uws. - egal ob ich Zahnseide, ein Buch oder eine Urlaubsreise kaufe, dann müsste man das inzwischen gewohnt sein und auch mal eine schlechte Bewertung einstecken können. Das Gegenteil ist der Fall. Die Internet -Industrie hat sich da ein wunderbares Erpressungsmittel einfallen lassen. Damit kann man den Verkäufer permanent unter Druck setzen und die Erwartungshaltung des Kunden steigern. Was? Du gibst mir das nicht billiger? Dann gebe ich Dir eine schlechte Bewertung. Manche gehen soweit, dass sie die Bewertung schon vorab wollen, bevor überhaupt irgendeine Transaktion gelaufen ist.

Wer also seine Ruhe haben will, der gibt tunlichst gute Bewertungen ab. Und so läuft es ja auch auf Facebook. Es wird "ge-liked" was das Zeug hält (was für eine grusliges "Denglisch"!), auch wenn man es vielleicht gar nicht oder noch nicht kennt. Vor und nach jeder Show wird gesülzt und geliked, alles ist nur wunderbar und überhaupt gibt es nur Superlative.

Solange man das nicht für bare Münze nimmt, wäre das ja noch okay. Aber ich glaube, dass viele Leute die virtuelle Welt inzwischen für echt halten und das was da gepostet wird, für ehrliche Meinung. Um so weniger verträgt daher so manche(r), wenn dann ein lebendiger Mensch ein reale Meinung vertritt.

Das Erschreckende an den zahlreichen Feedbacks, die ich auf meinen Newsletter bekommen habe, war die Angst der meisten Frauen, laut ihre Meinung zu sagen: "Endlich spricht es mal jemand aus!" - "Du sprichst mir aus der Seele" - "Ich finde es toll, wie Du Stellung beziehst! Ich dachte schon, ich bin allein auf weiter Flur!" - "Endlich ist mal jemand meiner Meinung!". Warum traut sich niemand? Niemand wird mehr gefoltert, weil er seine Meinung sagt...!? Ist es Angst oder Opportunismus? Oder eine Mischung? Oder doch eher die typisch weibliche Feigheit und Konkliktscheuheit (manchmal ist es ja nicht mehr - Scheuheit, sondern schon Konflikt-Panik). Liest man weiter, erfährt man dann, dass die Schreiberinnen oft mit den genau den oben genannten "Argumenten" heruntergemacht wurden. "Du bist ja verklemmt!" "Du hast ja keine Ahnung!" oder "Du hast Dich abfällig über mich und meine Show geäußert". HALLO !!!?!

Leben wir in einer Diktatur? Es scheint fast so á la "Wem meine Show/mein Auftritt nicht gefällt, der wird rausgeschmissen, runtergeputzt, abgemahnt, gar gemobbt oder zumindest nicht mehr eingeladen als Händler/Journalist/Kollegin" usw.

Das nenn ich eine Art "Diktatur der narzisstischen Bauchtanz-Mimöschen": Wehe, Du findest mich nicht toll und sagst das auch noch laut, dann hetz ich Dir den Anwalt wegen Rufschädigung auf den Hals!

 

Freiheit in der Kunst oder was manche für Kunst halten, die will man selbstverständlich! Die Freiheit der anderen, die Ergebnisse dieser Kunstbemühungen vielleicht auch mal nicht zu "liken", ist dagegen nicht vorgesehen....

Also: von meinem Demokratie - und Freiheitsverständnis her waren wir das schon mal weiter.....

ABER: wenn wir hier schon antidemokratisch sind, was die freie Meinungsäußerung betrifft, dann bin ich für "Westliche Asylbewerber raus aus dem Orientalischen Tanz!"

 

©Havva-5-2013